mica-Interview Uli Soyka

Uli Soyka ist ein vielbeschäftigter Mann. Zunächst ist er als Schlagzeuger und Percussionist hauptsächlich in den Bereichen des Jazz und der frei improvisierten Musik tätig. Daneben betreibt er noch sein eigenes Label Pan Tau X Records, das heuer sein zehnjähriges Jubiläum feiert. Als ob das nicht schon genug wäre, ist er noch als Schlagzeuglehrer tätig.

Wie bist du generell zur Musik gekommen und in weiterer Folge dann zum Schlagzeug spielen?

Zur Musik generell bin ich schon als ganz kleines Kind gekommen. Wegen meines Asthmas hatten wir sehr viele Wohnortwechsel, darunter auch einen Umzug von Wien nach Tirol. Dort in den Bergen ist ja die Blasmusik ganz groß und da bin ich schon damals immer neben der großen Trommel gestanden und habe zugeschaut und zugehört. Das hat mich zwar sehr beeindruckt, aber die Musik habe ich danach eigentlich auch wieder für lange Zeit vergessen. Später, zwischen meinem 6. und 14. Lebensjahr, habe ich dann Blockflöte gelernt. Das war einerseits spannend, weil man natürlich in ein soziales Umfeld hinein kommt, wo man auch schon auf der Bühne stehen kann, beispielsweise bei einem Krippenspiel in der Kirche.

Obwohl ich selbst ohne religiöses Bekenntnis bin, haben wir dort immer gespielt, wobei, dieser Zwang, immer auf den Wecker schauen zu müssen, genau eine Stunde zu spielen, schon etwas genervt hat. Ich habe das dann auch wieder sein lassen und bin dann in eine Schule gekommen, in der ich zum Goldschmied und Graveur ausgebildet worden bin. Das war in Steyr die Fachschule für gestaltendes Metallhandwerk. Dort habe ich dann eigentlich die ersten vier Jahre verbracht, ohne auch nur irgendwie musikalisch tätig zu sein.

In unserer Fachrichtung hatten wir nicht wahnsinnig viel zu lernen und so sind wir, da war ich 18 Jahre alt, in der Studierzeit immer Tischtennis spielen gegangen. Dort war auch ein Musikraum, dessen Türe immer wieder aufgegangen ist und aus der Rock’N’Roll-Musik zu uns gedrungen ist. Die Band hatte einen super Gitarristen, der ziemlich cool gespielt und einen wirklich guten Sound fabriziert hat – sehr cool und fetzig war das alles. Das hat mir zwar immer seht getaugt, nur selbst hinein gegangen bin ich in den Raum dann trotzdem nicht. Irgendwann dann, ich war schon in der letzten Klasse, hat mich ein Kollege, der zwei Klassen unter mir war gefragt, ob ich ihn nicht begleiten möchte, weil er einmal Schlagzeug spielen ausprobieren wollte. So hat er sich dann den Musikraum-Schlüssel ausgeborgt und wir sind dann dorthin gegangen.

Seit diesem Tag – das war der 23. November 1982, das habe ich mir wirklich gemerkt – bin ich eigentlich überhaupt nicht mehr vom Schlagzeug wegzubringen gewesen und habe jede freie Minute davor verbracht. In der Zehn-Minuten-Pause bin ich immer von der Schule runter gelaufen, habe mir den Schlüssel für den Proberaum ausgeborgt und habe einfach irgendetwas ausprobiert. Das habe ich immer schon so gemacht, ich bin Autodidakt. Zwischendurch, nach Beendigung der Schule, bin ich dann nach Tirol als Goldschmied und Graveur arbeiten gegangen und für ungefähr dreieinhalb Jahre habe ich wieder komplett mit dem Spielen aufgehört.

Nach einer familiären Veränderung bin ich dann aber nach Wien gegangen, habe den Goldschmied-Beruf wegen Neurodermitis aufgegeben und beschlossen, dass ich Musik machen möchte. Nachdem ich meinen alten Beruf aufgegeben hatte, habe ich dann mal 14 Tage lang quasi durchgeschlafen und dann habe ich mich mal erkundigt, wie das so abläuft mit einer Hochschule. Dafür habe ich dann hart und wahnsinnig viel trainiert, 8 bis 10 Stunden am Tag nur Schlagzeug gespielt, um mich auf die Aufnahmsprüfung vorzubereiten – letztendlich bin ich dann auch genommen worden. Das war wirklich ein Wahnsinn für mich. Ich war gerade einmal 23 Jahre alt und das war eine ganz fremde Welt, in die ich da hinein geraten war – von meiner Seite aus war das auch mit jeder Menge Ehrfurcht und Untertänigkeit verbunden. Ich war dort dann auch wirklich engagiert, aber der Lehrer war für mich überhaupt nicht gut und ich habe dann nach eineinhalb Jahren das Handtuch geschmissen. Das war einfach kein guter Pädagoge – er hat einfach nur die Leute fertig gemacht und versucht, seine eigenen Vorstellungen irgendwie durchzudrücken.

Für mich war das keine gute Geschichte und ich habe mich dann davon erstmal wieder erholen müssen. Das habe ich vor allem dadurch bewerkstelligt, dass ich einfach ganz viel gespielt habe und an vielen Projekten teilgenommen habe. Auch, wenn kurz vor einer Aufführung jemand ausgefallen ist, bin ich halt irgendwie für den eingesprungen. Auf diese Art habe ich auch sehr viel gelernt – ich habe mich einfach getraut, bin mit viel Schweiß und Mut in diese Projekte hinein gegangen und habe viele wichtige Erfahrungen in diesem ganzen musikalischen Kontext gesammelt. Ich habe Noten lesen gelernt, gelernt, mit Dirigenten zu arbeiten und auch, die notwendige Aufmerksamkeit aufzubringen, die man einfach braucht. Und jetzt bin ich mittlerweile schon seit 20 Jahren hauptberuflich Musiker.

Hat es da ein besonderes, entscheidendes Erlebnis gegeben, wo du dann gewusst hast, dass du das hauptberuflich machen willst bzw. du überhaupt von der Musik leben kannst, oder war das mehr ein fließender Übergang?

Ich muss sagen, die Entscheidung, dass ich gerne Musiker werden möchte, ist bereits zu dem Zeitpunkt gefallen, als klar war, dass ich den Goldschmied-Beruf nicht ausüben kann. Was das allerdings bedeutet, habe ich damals natürlich noch nicht gewusst. Ich bin damals zu Rudolf Hansen, dem damaligen Leiter dort, aufs Jazz-Konservatorium gegangen und habe gemeint, ich möchte gerne studieren und mich erkunden, was ich dazu alles machen muss. Er hat darauf geantwortet, ob ich denn überhaupt wisse, was das heißt und ich solle mir lieber einen g’scheiten Job suchen. Ich habe allerdings darauf bestanden, das zu machen und so hat er gesagt, dann solle ich es eben probieren.

Ich habe damals auch viel nebenbei gejobbt, habe Botendienst gemacht, Sachen geschleppt, usw. Im WUK habe ich auch gearbeitet, wo ich sozusagen auch eine proberaumtechnische Heimat gefunden habe. 1987 bin ich nach Wien gekommen und bereits 1988 habe ich mich dann dort am Proberaum beteiligen dürfen. Die Proberaum-Gemeinschaft ist dann allerdings schon nach einem halben Jahr auseinander gefallen und so hatte ich ihn erstmal für mich alleine und dann habe ich ihn erweitert und mit vielen anderen Bands bestückt.

 

 

Das war WUK war damals eine Heimat für mich. Ich habe dort geputzt, habe gekehrt, Stiegenhäuser aufgewaschen, war Portier und in der Ägidi-Gassen-Besetzungszeit war ich auch Brandschutzbeauftragter. Und natürlich habe ich dort immer geübt und geprobt. Auch heute noch unterrichte ich dort, proberaummäßig ist es aber mittlerweile so, dass ich versuche, den Keller zu meiden. Nach 20 Jahren dort unten habe ich genug an Kellerproberäumen. Jetzt versuche ich immer etwas zu finden mit Tageslicht und genügend Lüftungsmöglichkeiten. Das ist sehr wichtig und darf nicht unterschätzt werden. Wenn man wirklich ständig eine Kellerassel ist, dann geht das einfach auf die Gesundheit.

In wie vielen Ensembles bist du derzeit tätig? Gibt es ständig mehrere fixe Sachen die parallel laufen, oder handelst du das eher so projektmäßig ab, wo erst Sachen abgeschlossen werden, bevor du dir dann neue Aufgaben suchst?

Ich fühle mich schon als Teil mehrerer Ensembles, es ist aber trotzdem immer projekthaft gehalten. Die Sachen, die ich selber mache, manage ich eigentlich auch selbst und ansonsten gibt es ein paar Leute, die in den jeweiligen Projekten arbeiten und da ist immer irgendjemand Bestimmtes dafür zuständig, dass auch etwas passiert.

Bei mir gibt es heuer auch gerade ein Jubiläumsjahr – zehn Jahre Pan Tau X Records. Dieses Label habe ich vor zehn Jahren gegründet, um meine erste eigene CD zu veröffentlichen und zu schauen, dass meine Rechte bei mir bleiben und ich den Überblick behalte. Mittlerweile war ich schon richtig fleißig und habe bereits 13 CDs auf diesem Label raus gebracht, denen regelmäßig weitere Veröffentlichungen folgen werden.

Für mich ist das immer so ein gewisser Prozess. Es gibt Leute, deren Ziel es ist, eine CD in ihrem Leben aufzunehmen, die dann freilich die beste und unglaublichste sein muss. Für mich ist das eher ein Dokumentationsprozess meines ganzen Schaffens. Ich höre mir die erste CD, die ich gemacht habe, noch genauso gerne an, wie die aktuellsten Sachen. Für mich ist das nichts, was mir heute peinlich wäre. Man verändert sich und macht neue Sachen, aber für mich ist das alles heute noch genau so gültig wie damals und ich finde es großartig, gewisse Spotlights auf CD fixieren zu können.

Das macht man sowieso nur mit Musik, die wirklich schön ist und zu der man auch wirklichen einen Bezug hat. Heutzutage gibt es ja unendlich viele Tonträger, die auf den Markt kommen und für mich ist es einfach eine Begleitung in meinem Leben, mich um Konzerte zu kümmern, Musik zu schreiben, Ensembles zu formieren und dann das Ergebnis auch festhalten zu können. Es sind ja auch viele verschiedene Berufe, die man bei der Produktion so einer CD vereinen muss. Ich mache das alles selbst, weil ich einfach selbst am besten weiß, wie, wo, wann und mit wem es am besten zu machen ist.

Ich habe keine Lobby hinter mir stehen. Ich bin immer auf der Suche und freue mich über jeden Menschen, mit dem man kommunikativ gut zusammen arbeiten und gemeinsam etwas schaffen kann – das ist immer sehr schön. Aber Hauptakteur bin natürlich ich als Betreiber des Labels selbst und das jetzt seit ziemlich genau zehn Jahren.

Zur Frage, in wie vielen Ensembles ich aktiv bin: Eines der wichtigsten für mich ist jedenfalls Lila Lotus, ein Quintett mit zwei Gästen aus Schweden, Henrik Hallberg und Magnus Bergström und dann noch Klaus Gesing am Saxophon, Lorenz Raab an der Trompete und ich selbst am Schlagzeug. Dann gibt es noch die Band Erstkontakt, ein Improvisationsquartett mit Peter Ponger am Klavier, Klaus Gesing am Saxophon, Hans Strasser am Kontrabass und mir, wieder am Schlagzeug. Das Trio Undetected ist eigentlich das Ding vom Gitarristen Frank Schwimm, bei dem noch Raphael Preuschl am E-Bass und ich mitwirken. Das ist mehr so elektronische Musik mit vielen Klangteppichen. Mit dem gibt es jetzt in dieser Jubiläumskonzertreihe am 10. Oktober gleich das sechste von acht Konzerten in Kreuzbergs Theaterbar. Ich bin sehr froh und glücklich, dass wir das mit Unterstützung des 7. Bezirks und ein wenig Subvention zustande gebracht haben.

Wie schon erwähnt, umfasst diese Jubiläumskonzertreihe acht Konzerte, die immer jeweils an einem achten des Monats stattfinden – jetzt also noch drei Konzerte im Oktober, November und Dezember 2008. Das ist heuer eigentlich auch meine Haupttätigkeit, mich um diese Konzerte zu kümmern. Ich habe dazu auch schöne Flyer gestaltet, Werbung gemacht und alles so koordiniert, dass es möglichst reibungslos läuft.

Bei den ganzen Tätigkeiten, die neben der eigentlichen Musik so anfallen, würdest du dir wünschen, dass dir irgendjemand diese Aufgaben abnimmt, dass du dich mehr auf deine eigentliche Profession konzentrieren kannst? Oder empfindest du das vielleicht sogar als Ausgleich, weil du nicht nur in einer einzigen Richtung tätig sein kannst?

Dieses Flyer machen und Grafiken erstellen für die CD-Cover, das ist sowieso etwas, das ich früher gerne gemacht habe. Durch das Goldschmiede-Handwerk bin ich auch in diesen Bereichen nicht ganz ungeschickt und Zeichnen und Fotografieren und was eben sonst noch so anfällt, macht eigentlich schon Spaß. Das mache ich alles selber und nütze dabei sozusagen mein eigenes Potenzial. Für die technische Umsetzung habe ich meine geniale Freundin, Bettina Frenzel, die ja Fotografin ist – wir machen das gemeinsam. Das ist auch eine wunderschöne Arbeit, zusammen diese Produkte fertig zu stellen.

Trotzdem ist es mir ein riesengroßes Anliegen, wirklich jemanden zu finden, der mich unterstützen kann. Ich habe früher immer gedacht, eine Agentur, das klingt so blöd, aber die Zusammenarbeit mit einer solchen, die mir die Arbeit des Bookens abnimmt, würde mir schon sehr entgegen kommen – das ist mir ehrlich gesagt schon ein bisschen zu viel, das alles selbst zu organisieren. Ich mache es zwar und ich mache es, so gut ich eben kann und dann läuft es meistens eh irgendwie. Es gibt Phasen, da habe ich die Kraft, das alles zu machen und dann aber auch wieder welche, wo es einfach nicht mehr geht. Zudem bin ich ja auch noch unterrichtend tätig. Eigentlich lebe ich hauptsächlich vom Unterrichten, wie es eben die meisten Musiker auch machen. Heuer und letztes Jahr waren auch wirklich ganz gut mit dem Spielen. Es ist also sozusagen wirklich ein Konglomerat aus vielerlei Tätigkeiten, aus dem man sein Auskommen bestreitet.

Ist es für dich verhältnismäßig immer noch schwer, Auftrittsmöglichkeiten zu finden? Den Namen “Uli Soyka” kennt man ja mittlerweile doch schon und du bist ja auch bereits länger dabei.

Also für mich ist es schon schwer, auf jeden Fall. Es gibt da draußen hunderttausend Leute, der Markt boomt. Für mich war das Spannende am Musikerdasein immer, dass du die Idee gebierst, Musiker werden zu wollen, du ein Instrument lernst, dann versuchst, die Szene kennen zu lernen und deine ersten Gehversuche machst. Anfangs noch ängstlich und vorsichtig, weil du noch nicht weißt, wie das alles funktionieren soll und dann entwickelst du dich weiter, sammelst Routine in verschiedensten Projekten und wirkst in immer mehr Bands mit, bis du dich schließlich einmal so weit fühlst, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen. Also, dass man sich dann traut, unter eigenem Namen aufzutreten und die eigene Musik zu präsentieren – generell diese Idee zu haben, eigene Musik zu schaffen, das finde ich spannend.

 

 

Es gibt aber auch viele Musiker, die haben nie etwas unter eigenem Namen gemacht, weil sie das nicht möchten. Ein gutes Beispiel für mich, ein hervorragender Musiker, ist der Saxophonist Thomas Kuby. Er hat mir selbst erzählt, dass er noch nie wegen irgendeines Konzertes herumtelefoniert hat. Und der lebt sicher nicht schlecht. Er hat sehr viele Engagements, weil er einfach ein wunderbarer Sideman ist – ich habe früher auch viel mit ihm zusammen gespielt. Es gibt da viele verschiedene Möglichkeiten. Die einen arbeiten als Studiomusiker, andere gehen ins Theater, usw. Im Musikbereich gibt es ja so viele verschiedene Jobs, wo man sozusagen eine Heimat finden kann und für mich ist das einfach die die künstlerische Herausforderung, eigene Musik zu kreieren und diese auch umzusetzen.

Für diesen Bereich wünsche ich mir natürlich, dass es leichter wird und auch großräumiger. Ich spiele auch viel international, aber mit meinen eigenen Projekten die Landesgrenzen zu überschreiten, ist ziemlich schwer und mir bisher auch kaum gelungen. Meistens bin ich da Teil eines anderen Ensembles, mit dem man im Ausland eingeladen ist. Das ist für mich noch jedenfalls ein großes Anliegen, meine eigenen Projekte international raus zu bringen.

Was stellt hier deiner Meinung nach die größte Barriere dar? Generell, die Akzeptanz des Publikums, fehlende Förderungen, die Musikszene.? Woran glaubst du, liegt das, dass es so schwer für einen österreichischen Musiker ist, die Landesgrenzen hinter sich zu lassen?

Das wichtigste ist es, ein gutes Netzwerk zu haben. Ein gutes Beispiel ist hier der Wolfgang Muthspiel. Ich habe mit ihm zwar nicht wahnsinnig viel über diese Thematik gesprochen, aber früher eben ein paar Mal mit ihm gespielt und was man da so mitkriegt, wird da wirklich kontinuierlich vernetzt gearbeitet. Das hat schon in der Generation vor ihm begonnen, also mit seinen Eltern, dass langsam das Wissen geschaffen wird, dass man da wirklich voll und ganz rein steigen muss, um es zu schaffen. Die Muthspiel-Brüder sind auch in vielen Gremien gesessen und haben diese Art von Arbeit kennen gelernt und dann eben diesen Schritt gemacht, wo man zusätzlich zur Qualität, die natürlich immer vorhanden sein muss, auch ins Ausland geht.

Da stellt sich natürlich die Frage, ob das wirklich notwendig ist, um den Durchbruch zu schaffen. Für mich selbst habe ich das aber nie wirklich ins Auge gefasst, weil ich ja auch Kinder habe und das ist auch irgendwie so eine Bauchgefühlsgeschichte, da jetzt nicht einfach abzuhauen, sondern an deren so weit wie möglich teilhaben zu wollen. Und das würde eben vom Ausland aus nicht so gut gehen. Vielleicht ist es aber auch eine Mut-Geschichte, dass ich nicht ins Ausland gegangen bin. Aber ich glaube ich nicht, dass es wirklich unbedingt notwendig ist, diesen Schritt zu machen. Natürlich kann man dort wunderbar Kontakte knüpfen und diese auch aufrecht erhalten, aber theoretisch kann man das auch von Österreich aus machen.

Wie auch immer, wenn ich das Rezept wüsste, mit dem es leicht geht, würde ich es machen. Ich versuche einfach, Schritt für Schritt weiter zu gehen und wenn neue Ideen kommen, diese auszuprobieren. Ich freue mich jedenfalls sehr über dieses Interview. In letzter Zeit hatte ich eh auch wieder gute Medienpräsenz, ich glaube auch, aufgrund der Konzertreihe und einem neuen schönen Projekt, dem Trio Troica. Da spiele ich zusammen mit Claudia Cervenca und Jan Roder und 2007 haben wir in dieser Formation bereits den Austrian World Music Award gewonnen. Zudem haben wir noch bei “Glatt und Verkehrt” gespielt und das hat auch eine ziemlich gute Medienresonanz ergeben, was natürlich immer gut und schön ist. Nicht aus dem Grund, weil man jetzt irgendwie großspurig denkt, sondern, weil es natürlich das Rad am Laufen hält, dass es mit der Musik weiter gehen kann.

Wenn man eine Weile lang von der Bildfläche verschwunden ist, dann wird auch nichts passieren. Ich gehe immer mit meinen CDs in verschiedene Shops, um die dort unterzubringen. Das sind Dinge, die mache ich alle selbst, was natürlich auch viel Arbeit mit sich bringt, die man immer einkalkulieren muss. Die meisten Musiker, die ich kenne, haben CDs gemacht und glauben, dass jetzt irgendein Label alles machen wird und dann schon irgendwie alles ins Laufen kommt – in Wirklichkeit passiert aber gar nichts, wenn du nicht irgendein Management bzw. eine Marketingabteilung um dich hast, die rund um die Uhr dafür sorgt, dass sich etwas tut.

Wer jetzt auch immer sich aufgefordert fühlen möge, mit mir zusammen zu arbeiten, ist dazu herzlich eingeladen. Ich würde mich sehr darüber freuen.

Du verkaufst ja deine CDs auch über die Homepage deines Labels – derzeit lediglich in physischer Form. Hast du vor, die Werke irgendwann einmal auch via Download digital zu vertreiben?

Ich muss, sagen, das ist noch ein bisschen ein blinder Fleck bei mir, auch im Sinne der Auseinandersetzung mit den neuen Medien. Persönlich bin ich auch ein CD-Fan und kaufe mir auch sehr viele Tonträger selbst, weil ich einfach auch gerne im Booklet lese, mir das Artwork anschaue und all diese Dinge. Viele Zusammenhänge aus der Szene und Musikgeschichte kenne ich einfach bloß durch das Anschauen und Lesen der Booklets. Ich gehe auch ganz viel und oft in Musikgeschäfte und höre mir einfach mal hundert CDs und gebe sie wieder zurück. Da geht ein großer Austausch vor sich.

Dieses Vertreiben in digitaler Form wäre natürlich schon etwas, aber ich glaube, das ist etwas, das auf jeden Fall jemand für mich übernehmen müsste, der das auch kann. Ich habe keine Ahnung, wie das mit Downloads wirklich funktioniert. Und dann habe ich natürlich auch die CD produziert, damit ich sie verkaufen kann und nicht bloß irgendwelche Downloads. Ich habe ein riesiges Lager von immer noch 12.000 CDs, die zu verkaufen sind. Es sind zwar schon wirklich viele weggegangen, aber man macht ja von jedem Album immer ein gewisses Kontingent, das man dann aber natürlich auch irgendwo lagern muss und versucht, es weiter zu verkaufen.

Für mich bleibt die normale CD jedenfalls Favorit. Und wenn es andere Portale oder andere Bereiche gibt, wo man das wirklich gut rein bringen kann, dann bin ich der erste, der sich darüber freut, Unterstützung zu erhalten von jemandem, der das übernehmen möchte und auch weiß, wie das zu handhaben ist.

Soweit ich gesehen habe, vertreibst du auf deinem Label bisher nur Sachen, an denen du auch als Musiker beteiligt bist. Würdest du auch die Distribution für andere Künstler übernehmen, oder funktioniert das schon alleine aus Zeitgründen nicht?

Das zu machen, ist immer wieder eine Idee gewesen und es haben mich auch schon viele Leute gefragt, aber ich weiß, dass ich das ganze sicher eher klein halten werde. Es ist aber trotzdem so, dass ich erst gestern eine neue Produktion in Angriff genommen habe – zumindest jetzt einmal gedanklich, die aber sicher umgesetzt wird. Das ist die Bachmann Produktion mit Lena Rothstein, Paul Urbanek und Bertl Mayer – ein wunderschönes Trio. Dabei singt und spricht sie Bachmann-Texte und wird dabei mit Klavier und Mundharmonika begleitet. Das möchte ich wirklich gerne bei mir raus bringen.

Zwei CDs sind ja bisher schon auf Pan Tau X Records heraus gekommen, an denen ich nicht als Musiker beteiligt war. Das ist die erste Kelomat CD, wo die jungen Satzinger, Schiftner, Pirker mitspielen. Und dann noch ein Werk von Uli Rennert, einem Pianisten aus Graz, mit dem ich auch schon viele Projekte gemacht habe. Der hat mich gefragt, ob ich eine Produktion mit ihm machen möchte, weil ihm meine Sachen gefallen haben, die Grafik und das Design und ganz allgemein, wie ich an meine Arbeiten heran gehe. Dessen Projekt M, das für “Monk” steht, haben wir letztes Jahr veröffentlicht.

 

 

So im Kleinen kann ich mir also immer vorstellen, immer wieder mal eine Produktion mitzunehmen, aber es muss im Rahmen bleiben. Ich muss das alles noch überschauen können, weil ich einfach nicht, wie beispielsweise Quinton Records, dafür stehen kann, rund um die Uhr als Vertrieb zu arbeiten. Ich bin eben kein Vertrieb, sondern Musiker. Das Label ist für mich, neben der Produktions-, Booking- und Spiel-Arbeit, eines von vier Standbeinen. Ich versuche, das gleichmäßig zu verteilen. Das heißt, wenn ein Projekt schön ist und man das Gefühl hat, dass alles passt und alle Leute zufrieden sind, mit dem, was ich leisten kann, dann kann man darüber reden, dass ich Sachen bei mir veröffentliche. Aber ich biete jetzt nichts irgendwie an, das ich dann nicht halten kann.

Als Musiker hast du dich ja bereits der Komposition als auch der Improvisation gewidmet. Hat es da im Laufe der Zeit eine Verschiebung zugunsten irgendeiner der beiden Herangehensweisen gegeben, hat sich da in der Wertigkeit für dich etwas geändert?

Irgendwie hat sich das schon immer wie ein roter Faden durch mein Leben gezogen – schon wie ich begonnen habe, Schlagzeug zu spielen, habe ich immer nur herum probiert. Kaum hatte ich auch nur fünf Minuten Zeit, bin ich schon gelaufen und habe irgendetwas ausprobiert, habe gemerkt, an dieses oder jenes vom letzten Mal kann ich mich noch erinnern. Dann habe ich versucht, das zu wiederholen und es hat funktioniert oder eben nicht. Das heißt, ich habe ganz viel herum probiert und ich bin auf jeden Fall ein Schlagzeuger, der nicht eine Rhythmusmaschine im Sinne eines Drum-Computers oder eines Power-Trashers ist, sondern etwas, zu dem man früher “Springginkerl” gesagt hätte. Es hat sicher sehr viele Musiker gegeben, die mit meiner Art zu spielen nicht viel anzufangen gewusst haben, weil ich auch sehr interaktiv spiele. Das heißt, ich habe eine Idee und die füge ich dann entweder meinem Spiel hinzu oder verwerfe sie auch gleich wieder; jedenfalls reagiere ich darauf sofort und diese Interaktion ist meine Haupttriebfeder beim Spielen.

Für mich ist das Komponieren eine wunderschöne Arbeit, die ich eigentlich täglich mache. Die Melodien schreibe ich anhand der Flöte. Ich habe leider nie richtig gelernt, wie das mit der Harmonielehre funktioniert, dieses Funktionsverständnis habe ich mir nicht so sehr angeeignet. Deshalb suche ich auch immer Leute, die mir dabei weiter helfen können. Aber ich schreibe ansonsten wirklich alle Akkorde, die Basslinien und ich habe auch bereits für ein 22-köpfiges Ensemble arrangiert und geschrieben. Ich lasse mich also auf Dinge ein, bei denen ich jetzt nicht so der große Spezialist bin, aber trotzdem, ich mache das wie gesagt täglich, schaffe ich es, eine gewisse Qualität zu halten.

Für mich ist dieser Zugang vom Musikalischen her ein sehr angenehmer, weil man einfach ganz anders auf die Musik zu geht und ich denke, das klingt dann irgendwie frischer, neuer und interessanter. Schwierig ist es allerdings, wenn man dann Leute bittet, das umzusetzen – da muss man wirklich die richtigen finden, die eine derartige Qualität aufweisen, sich damit auch auseinander setzen zu können. Es gibt nämlich oft Harmonien, die für mich wirklich gut klingen – ich höre mir das ja auch vorher ein paar mal am Computer an und probiere herum -, was das Voicing betrifft, aber es ist natürlich klar, dass ein Pianist beispielsweise bei einem Thema das eine Voicing spielt und beim Solo dann aber ein anderes. Das sind einfach Sachen, die ich nicht drauf habe, weil ich einfach nicht weiß, wie ein Gitarrist oder Harmoniespieler die Voicings benötigt.

Das sind eben diese Sachen, bei denen ich mir gerne helfen lasse, damit man dann für Akkorde Symbole findet, wo auch ein Solist gerne drüber spielt. Das ist für mich aber auch ein Zukunftsprojekt – ich habe ungefähr 200 Kompositionen, die noch nie gespielt wurden. Meine größte Stärke liegt aber sicher im totalen Improvisieren. Ich spiele in zwei Bands, wo wir uns nur auf die Bühne stellen, nie ein Programm haben und einfach nur spielen. Das klingt dann eigentlich auch immer wie komponierte Musik und ist wirklich sehr schön. Die Frage könnte jetzt natürlich sein, warum ich dann überhaupt noch komponiere, aber das ist irgendwie etwas ganz Anderes. Das sind ganz andere Melodien, die so beim Improvisieren einfach nicht entstehen.

Wenn du die Grundidee zu einer Komposition hast, weißt du da schon im Vorhinein, mit welchem Ensemble du das umsetzen wirst, also in welcher Größe, in welcher Besetzung das gespielt werden soll?

Das ist gar keine leichte Frage. Ich schreibe eigentlich nicht für Ensembles sondern die Ideen, die ich habe, sind eher instrumentenbezogen. Da stelle ich mir eher Klangfarben vor, welche Instrumente gut zusammen passen würden. Etwa Klarinetten, Oboen, Streicher und Schlagzeug – so Ideen hat man immer wieder, aber in den seltensten Fällen habe ich dann auch die Chance gehabt, das auch so auszuprobieren. Das ist ja auch wieder eine Frage des Zeitaufwands und der Energie und um auf eine vorherige Frage von dir zurück zu kommen: wenn ich mehr Zeit hätte, nur Musik zu machen, dann würde ich in diesem Bereich sicherlich mehr ausprobieren. Das ist etwas, das ich mir schon wünschen würde, tiefer in meine Komponistenarbeit eintauchen zu können und mich dem Ganzen noch mehr zu widmen. Wenn mir also jemand das Booking abnehmen würde, könnte ich hier mehr machen und es würden sich auch neue Bereiche auftun.

Du hast vorher auch bereits angesprochen, dass du unterrichtend tätig bist. Es sind ja immer auch zwei paar Schuhe, einerseits etwas gut zu können und dies andererseits dann aber auch anderen vermitteln zu können. Da du Autodidakt bist, stelle ich mir das eigentlich noch schwerer vor, weil du ja nicht nach festgelegten Regeln und Mustern vorgehen kannst. Wie handhabst du das?

Wenn man seriös denkt, dann fängt man sicher erst dann zu unterrichten an, wenn man weiß, dass man etwas kann. Jemandem mein Wissen zu vermitteln kann ich nur machen, wenn ich mich das auch wirklich traue. Ich muss mein Gegenüber respektieren und muss auf jeden als Individuum eingehen – ganz egal, ob das jetzt ein Kind ist mit viereinhalb Jahren oder sechs oder zwölf, Jugendliche mit 16 oder 26 oder schließlich erwachsene Leute, die vielleicht schon 70 sind. Man muss sich immer neu einstellen und die Leute dort abholen, wo sie vom Können her gerade stehen und auch, wo ihre Talente liegen.

Das ist genau das, was ich mir für mich auch immer gewünscht habe und wie ich aber leider nie unterrichtet worden bin. Andernfalls wäre ich ja gerne auf der Hochschule geblieben und hätte dort auch abgeschlossen. Aber im Nachhinein betrachtet, muss ich sagen, dass ich diesen Bruch mit der Hochschule ganz gut finde, weil ich jetzt auch genau weiß, wo ich zu Hause bin und wo ich stehe. Natürlich ist  es so, ohne jeglichen Wisch, der anderen mein Können bestätigt, schwer, an einer Hochschule zu unterrichten, weil ich eben in dieser Richtung keinen Abschluss habe. Aber wie gesagt, ich unterrichte jetzt seit über 20 Jahren als Privatlehrer und habe schon ungefähr 400 Schüler gehabt. Die einen kommen, die anderen gehen und da sammelt man sehr viel Erfahrung. Ich unterrichte auch im WUK, bei den Wiener Sängerknaben und im Kollegium Kalksburg. Das ist jedes Jahr für mich spannend, weil es eben keine Schule ist, wo die Leute automatisch zu mir kommen, sondern ich mich selbst darum kümmern muss.

 

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